Von Circular Economy und Second Love

Welche Mehrwerte nachhaltige Geschäftsmodelle bieten

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Region Ostwürttemberg. Beim Produktdesign und in der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen spielt Nachhaltigkeit eine zunehmend größere Rolle. Wie Unternehmen kreative Lösungen entwickeln, von der Produktgestaltung bis zum Eventmanagement, ist Thema desKreativforums Ostwürttemberg, dass dieses Jahr erstmals als dreiteilige digitale Veranstaltungsreihe angeboten wird.

„Weniger als zehn Prozent der eingesetzten Materialien gelangen zurück in die Produktkreisläufe, die restlichen 90 Prozent sind für die weitere Nutzung verloren oder belasten als Abfallprodukte unsere Umwelt“, so Jeannette Jäger, Geschäftsführerin der Beratung Jäger GmbH aus Filderstadt. „Von der Herstellung bis zur Entsorgung verursachen Produkte zudem 50 Prozent der CO2-Emissionen.“ Diese Ausgangsituation verdeutlicht, dass ein Umdenken im wirtschaftlichen Handeln und im Konsumverhalten dringend notwendig ist.  

Mehrwert durch Kreisläufe – das ist die Devise von Jeannette Jäger. Sie berät Unternehmen, Verwaltungen, Netzwerke und gemeinnützige Organisationen zu den Themen Nachhaltigkeit und Transformation und unterstützt sie bei der Entwicklung effektiver Maßnahmen im nachhaltigen Produktdesign sowie der Umsetzung neuer Strategien.

„Unser Ziel muss es sein, ganzheitlich in Kreisläufen zu denken“, erklärt Jäger. „Eine Circular Economy mit technischen und biologischen Kreisläufen für Ge- bzw. Verbrauchsgüter [siehe Infokasten] ist nicht nur ein ökologisch, sondern auch ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Unterfangen.

Enorme Chancen bieten sich für die Unternehmen durch die Entwicklung neuer, nachhaltig erfolgreicher Geschäftsmodelle. Dafür führt Jäger zahlreiche Praxisbeispiele auf. Bekannte Konzepte sind etwa „Second-Hand“ bzw. „Second Love“, wie es gerne auch genannt wird, oder das Sharing-Prinzip, etwa beim Auto. Doch auch die Idee des „product as a service“, also die Vermietung von Produkten bzw. Geräten inklusive Reparaturleistung und Austausch sind Modelle, die zunehmend von Unternehmen aufgegriffen werden. „Im besten Fall ergeben sich aus längerfristig abgeschlossenen Verträgen dauerhafte Kundenbeziehungen mit einem stabilen Cash-flow“, meint Jäger.

Unternehmen wie der Reinigungs- und Pflegemittelhersteller Werner & Mertz mit der Produktmarke Frosch, die Firma Bosch mit ihrem Hausgeräte-Abonnement oder das niederländische Start-up Fairphone zeigen, dass es funktioniert. Doch leider gibt es nach wie vor einige Hemmnisse. So sind die herkömmlichen Geschäftsmodelle auf die Generierung von möglichst viel Absatz ausgerichtet, zudem gestaltet sich die Rückführung der Produkte angesichts der Komplexität der Materialströme als relativ kompliziert. Reparaturen und Wartungsleistungen sind in der Regel sehr personalintensiv, was angesichts der Lohnkosten als weiteres Hemmnis wirken kann. Jäger spricht hier vom klassischen Henne-Ei-Problem: „Kunden und Unternehmen müssen sich hier aufeinander zu bewegen.“

Wie die Etablierung einer Circular Economy trotzdem gelingen kann? Jäger zufolge sei zum einen die Politik gefordert, beispielsweise durch die Schaffung von Anreizen im Rahmen von Mehrwertsteuerreduzierungen bei Reparaturleistungen, konkreten Zielvorgaben oder öffentlichkeitswirksamen Auszeichnungen wie dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Vor allem aber müsse das Unternehmen die nachhaltige Ausrichtung des Geschäftsmodells zu dessen strategischer Zielsetzung machen. „Die Geschäftsführung muss ganz klar hinter der Leitidee stehen und diese authentisch nach innen und außen kommunizieren. Nur so schafft man Glaubwürdigkeit und die Motivation, tatsächlich etwas zu verändern.“

Infokasten:

„Cradle to Cradle“ Konzept nach Michael Braungart:

Dem Cradle to Cradle Konzept liegt die Vision einer Industriegesellschaft zugrunde, die ihre Produktionsverfahren ähnlich den Kreisläufen der Natur gestaltet. Die Prozesse in der Natur kennen keinen Abfall. Analog können auch nachhaltige Produktkreisläufe gestaltet werden. Produkte, die für einen längerfristigen Gebrauch hergestellt werden, wie Automobile, Haushaltsgeräte, Teppiche, Büromöbel oder synthetische Fasern, bezeichnet das Cradle to Cradle Konzept als Gebrauchsgüter. Ihre Komponenten können qualitativ hochwertige, auf Beständigkeit ausgelegte Materialien wie Kunststoffe oder Metalle sein, die durch einen technischen Nährstoff-Kreislauf dauerhaft nutzbar gemacht werden sollen. Für die Produktgestaltung bedeutet dies, die eingesetzten Rohstoffe nach Gebrauch sortenrein und damit ohne Qualitätsverlust zurückzugewinnen, so dass aus ihnen wieder neue, gleichwertige Produkte entstehen können und ein echter, endloser Materialkreislauf entsteht, der keine Abfälle zurücklässt.

Produkte, die aus abbaubaren Stoffen bestehen oder über eine begrenzte Lebensdauer verfügen, bezeichnet das Cradle to Cradle Konzept als Verbrauchsgüter. Beispiele hierfür sind Textilien aus natürlichen Fasern, kosmetische Produkte, Nahrungsmittel, Reinigungs- und Waschmittel, Windeln oder Verpackungsmaterialien für den Einweggebrauch. Diese Verbrauchsgüter werden nach Cradle to Cradle so gestaltet, dass sie als biologischer Nährstoff in den biologischen Kreislauf eingespeist werden können. Hierfür müssen alle Produktkomponenten so ausgewählt werden, dass sie ökologisch sinnvoll und verwertbar sind und damit frei von toxischen Substanzen.
Um Ge- und Verbrauchsgüter nach diesem Prinzip zu gestalten, braucht es eine ganzheitliche Unternehmensstrategie. Im Gegensatz zu derzeitigen Verfahren, die sich bemühen aus Abfällen alles noch Verwertbare herauszufiltern, fordert Cradle to Cradle deshalb bereits in der Produktentwicklung die Kreislauffähigkeit. So gestaltete Produkte können die Rohstoff- und Abfallprobleme zugleich lösen und setzen Mensch und Umwelt keinerlei Risiken durch potenziell schädliche Substanzen aus.

Kreativforum Ostwürttemberg 2021:

Das erstmals digital veranstaltete Kreativforum Ostwürttemberg steht dieses Jahr unter dem Titel „Nachhaltigkeit im Produktdesign – Impulse für kreative Lösungen“. In der dreiteiligen Veranstaltungsreihe erfahren die Teilnehmenden, wie Unternehmen kreative Lösungen entwickeln, von der Produktgestaltung bis zum Eventmanagement. Die Teilnahme an den Videokonferenzen mit MS Teams ist kostenfrei und wird von der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH Region Ostwürttemberg (WiRO) in Kooperation mit der Kontaktstelle Frau und Beruf Ostwürttemberg – Ostalbkreis, der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd und der Wirtschaftsförderung der Stadt Aalen angeboten und von der Medien- und Filmgesellschaft MFG Baden-Württemberg unterstützt. Das Kreativforum richtet sich an alle Akteure der Kultur- und Kreativbranche, regionale Unternehmen aus Industrie und Handwerk, Studierende, Start-Ups sowie interessierte BürgerInnen.

Nächster Termin: 19.10.2021, 17.30 Uhr

Programm und kostenfreie Anmeldung: www.ostwuerttemberg.de/veranstaltung